Beim Reisen priorisieren wir oft das Bekannteste – doch gerade das entpuppt sich oft als durchschnittlich oder enttäuschend. Dieses Phänomen wird „Paris-Syndrom“ genannt und tritt besonders bei japanischen Reisenden auf. Sie kaufen ein Ticket nach Paris, weil sie den Eiffelturm auf Bildern gesehen haben, fahren direkt dorthin – und stehen dann vor einer Eisenstruktur mit Straßenverkäufern darunter. Enttäuscht fragen sie: „War das etwa alles?“ Einige erleiden sogar so großen Frust, dass sie im Krankenhaus landen.
Natürlich ist der Eiffelturm sehenswert – aber Frankreich hat noch viel mehr zu bieten. Ähnlich verhält es sich mit den Nordlichtern in Norwegen. Teure Touren führen zu abgelegenen, eiskalten Orten, wo man stundenlang im Dunkeln friert. Oft sieht man – nichts. Und wenn, dann nur durch spezielle Kameras mit langer Belichtungszeit.
Aber was hat das mit Ladakh zu tun?
In Ladakh gibt es ein kurios beworbenes Phänomen: den „Magnetic Hill“. Angeblich widersetzt sich dieser Ort den Naturgesetzen – Autos sollen dort von selbst bergauf rollen. Die Gerüchteküche behauptet: Newtons Gesetze versagen hier. Einige sprechen von optischer Täuschung.
Als ich meinen Fahrer bat, dorthin zu fahren, sagte er:
„Die Straße wurde so oft repariert, dass die ursprüngliche Neigung kaum noch erkennbar ist. Es ist nichts Besonderes mehr.“
Wir fuhren dennoch hin. Dutzende Fahrzeuge standen dort, ein großes Schild verkündete den „magnetischen Effekt“. Unser Fahrer stoppte kurz, das Auto bewegte sich minimal.
Er sagte: „Sehen Sie? Es rollt bergauf!“
Ich antwortete: „Ach bitte, ich habe in Ladakh schon so viele wundervolle Orte gesehen – verteidigen Sie diesen Unsinn nicht. Hier rollt gar nichts bergauf.“
Später erklärte mir Herr Dorjee, ein gebürtiger Ladakhi, Reiseleiter seit Jahrzehnten, mit MPhil und PhD über Ladakh:
„Ich habe nicht nur PKWs, sondern auch Lastwagen getestet. Dort gibt es keine umgekehrte Schwerkraft – es ist ein reines Gerücht, das unserem wissenschaftlichen Denken schadet.“
Ich sagte: „Aber ich habe gehört, das Militär habe es untersucht und eine wissenschaftliche Erklärung gefunden.“
„Nein. Selbst Präsident A. P. J. Abdul Kalam war hier und stellte klar: Kein magnetisches Phänomen. Trotzdem steht das Schild noch. Touristen machen Fotos und Videos. Wenn wir in Ladakh so viele echte Wunder haben – warum dieses plumpe Märchen aufrechterhalten?“
Meine Antwort: „Vielleicht sollten wir das Märchen pflegen. Die Menschen lieben Magie. Wenn es Touristen bringt und Ladakhs Wirtschaft stärkt – dann ist das der eigentliche Magnetismus dieses Hügels.“
(Fortsetzung folgt)
Mit Dank an Praveen Jha für den Originaltext