Unordnung…?
Ein Freund hat mich gefragt:
„Gibt es im Sanātana (ewigen) Glauben nicht zu viel Durcheinander, zu viel Unordnung?“
Hör zu, mein Freund…
Im Nyāya-Darshana (Philosophie der Logik) gibt es eine Stelle, an der über Ordnung und Unordnung gesprochen wird.
Ein Vertreter der Gegenposition sagt dort:
Auch Unordnung ist eine Form von Ordnung.
Zum Beispiel:
Du gehst zu einem Festessen – dort liegen Puri (Fladenbrot) an einer Stelle, das Gemüse woanders, das Raita an einem dritten Ort,
und derjenige, der dir das Essen austeilen soll, ist ganz woanders beschäftigt…
Auf den ersten Blick wirkt alles chaotisch.
Aber wenn du genau hinsiehst, erkennst du: Das ist genau die Ordnung, die dort herrscht.
Oder:
Du gehst in den Wartebereich eines Busbahnhofs – drinnen sitzen Kühe, es liegt überall Müll und Dung herum.
Menschen sitzen draußen, während auf den Sitzplätzen innen Zigarettenstummel liegen…
Auch das wirkt wie Unordnung.
Aber in Wahrheit ist das die Ordnung dieses Ortes.
Weil jedoch Dinge wie Bahnhöfe, Warteräume oder Festessen menschengemacht sind, erscheint Unordnung dort hässlich.
Aber es gibt auch Beispiele für göttliche Unordnung:
Ein Fluss wird plötzlich tief,
dann sieht man plötzlich wieder den Kieselboden –
zwei Kilometer breit,
dann wieder schmal wie ein Spalt zwischen zwei Bergen.
Ein Kanal dagegen ist immer ordentlich und berechnet.
Doch zwischen dem Zauber und der Schönheit eines Kanals
und eines wilden Flusses
liegen Himmel und Erde.
Im Wald wachsen die Bäume scheinbar wirr –
manche in Gruppen, manche groß, manche klein,
alles wirkt zufällig.
Ein Garten dagegen – fein säuberlich in Reih und Glied.
Doch was weiß ein Garten schon vom Zauber eines Waldes?
Oder:
Im Himmel sind die Sterne verstreut – mal hier, mal dort.
Doch sie sind Teil einer übergeordneten Ordnung.
Die Straßenlaternen hier auf Erden sind ordentlich aufgestellt,
aber ihre Schönheit verblasst vor dem Anblick der Milchstraße.
Das heißt:
Selbst in der Unordnung existiert eine tiefere Ordnung.
So viele Angriffe, Intrigen, Verrat und Täuschungen
wurden gegen die sanātanisch-vedische Tradition geführt –
wie gegen keine andere Kultur der Welt.
So viele Schriften, ganze Bibliotheken,
wurden über Jahre hinweg verbrannt –
nirgendwo sonst auf der Welt.
So viele Gurus, Āchāryas, Priester –
ihre Köpfe wurden abgeschlagen –
so etwas gab es sonst nirgends auf der Erde.
So viele Tempel wurden zerstört,
ihre Stätten enteignet.
Schon die Erinnerung daran schmerzt zutiefst.
Und doch –
Trotz aller Versuche, trotz aller Gewalt:
Sanātana blieb unversehrt.
Hätten es nicht einige Verräter aus den eigenen Reihen unterwandert…
Denn im Kern beruht Sanātana auf jener
natürlichen Ordnung,
wie sie in den Flüssen,
in den Bergen,
in den Wäldern,
in den Sternensystemen existiert.
Hier gibt es Menschen,
die nicht einmal Zwiebel oder Knoblauch berühren –
und andere, die täglich Fleisch essen.
Hier gibt es Menschen,
die sich nach jedem Toilettengang baden und die Kleidung wechseln –
und auch Naga-Sadhus und Aghoris,
die splitterfasernackt leben.
Hier gibt es Menschen,
die achtsam gehen, um keine Ameise zu zertreten –
und gleichzeitig Fleischer,
die dennoch Erleuchtung erlangt haben.
Hier gibt es Menschen in weißen, gelben, saffranfarbenen Gewändern –
und solche, die nackt gehen.
Hier tanzt die Menge täglich in ekstatischen Festivals,
und gleichzeitig gibt es Seelen,
die tief in Einsamkeit und Meditation versunken sind.
Hier wird laut Bhajan, Kirtan und Pujā gefeiert,
aber auch in vollkommenem Schweigen Tausender Tugendhafter verweilt.
Hier wird Mahāras (Göttlicher Tanz) gefeiert –
und auch Mauni Amāvasyā, der Tag des Schweigens.
Kurz gesagt:
Die Angreifer, die Zerstörer, die Eindringlinge –
sie konnten Sanātana nie verstehen.
Eine Ordnung kann man stören oder zerstören –
aber was will man mit einer Unordnung tun,
die selbst eine tiefere Ordnung in sich trägt?
Das sollte man erkennen:
Diese Unordnung ist genau das –
die natürliche Ordnung des Göttlichen.
Darum ist Sanātana ewig –
wie Flüsse, Berge, Wälder,
wie die Milchstraße…
spontan, lebendig, ungezähmt.
Feiere sie.
Hör auf, sie im Namen des „Gesellschaftsverbesserers“ zu reformieren.
Denn:
Die Sanātana-Gesellschaft ist die am besten geordnete Gesellschaft der Welt.
Bewahre das,
was dir durch Tradition, durch deinen Guru, durch deine Ahnen überliefert wurde.
Darin liegt das Wohl aller.
Darin liegt das Wohl der Welt.
– Swami Suryadev
von der Facebook-Seite von Pramod Sharma Ji